Gedankenexperiment - Auswirkungen einer dynamischen Gewichtsverlagerung - Teil 1

Die Art und Weise, wie ein Fahrzeug die Kraft auf die Straße überträgt, beeinflusst maßgeblich das Fahrverhalten. Hierbei spielt die Position des Schwerpunkts eine wichtige Rolle, da sich die Radlasten und das Eigenlenkverhalten direkt davon abhängig machen. Im Rahmen meines Masterstudiums haben wir als dreiköpfiges Team eine Simulation entwickelt, um zu prüfen, ob sich diese Idee auf die Rundenzeiten eines Sportwagens auswirkt.

Die Idee

In diesem Beitrag beschreibe ich die Auswirkungen einer aktiven Gewichtsverlagerung auf das Fahrverhalten. Dabei werde ich typische Kenngrößen aus der Fahrdynamik heranziehen.

Zunächst analysieren wir den Einfluss einer konstanten Verschiebung der Schwerpunktlage unter verschiedenen Fahrsituationen mithilfe eines Referenzfahrzeugs. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für die strategische Festlegung der dynamischen Gewichtsverlagerung. Ein geeignetes Manöver wird das Potenzial der aktiven Verlagerung demonstrieren.

Um dieses Konzept umzusetzen, wird die Software CarMaker for Simulink zur Entwicklung des Reglers verwendet. Der Regler verschiebt gezielt eine Zusatzmasse unter Berücksichtigung der jeweiligen Fahrsituation. Da es sich um ein Gedankenexperiment handelt, ist die technische Machbarkeit vorerst nicht von Bedeutung.

Grundlage

Die Bewegungen eines Fahrzeugs werden durch die Fahrdynamik beschrieben. Diese kann in drei translatorische Freiheitsgrade unterteilt werden, nämlich Längs-, Quer- und Vertikalbewegung.

Abbildung 1: Unterteilung der Fahrdynamik nach: Bernd Heißing. Fahrwerkhandbuch: Grundlagen, Fahrdynamik, Komponenten, Systeme, Mechatronik

Auf die Herleitung einzelner fahrdynamischen Kerngrößen möchte ich hier nicht eingehen, wer daran interesse hat, den verweise ich auf die wunderbare literatur die es zu diesem Thema ugenügend wie in deutscher als auch in englischer sprache ist.

Voruntersuchung

Vor der Entwicklung des Reglers wurde eine Voruntersuchung durchgeführt. Das Ziel dieser Untersuchung ist es, das Fahrverhalten bei gängigen Fahrmanövern zu beurteilen und das Fahrermodell zu validieren. Dazu werden gemäß Tabelle 3 einzelne Versuchsfahrten durchgeführt, bei denen eine Zusatzmasse entsprechend den Koordinaten aus Tabelle 2 im Fahrzeug verschoben wird. Die Voruntersuchung zielt darauf ab, den Einfluss der Zusatzmasse auf das Fahrverhalten bei Geradeausfahrt und Kurvenfahrten zu untersuchen. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für die Erstellung der Kennlinie des Reglers und ermöglichen erste Rückschlüsse auf die Größenordnung des Einflusses, um den dafür erforderlichen Aufwand zu rechtfertigen.

Zusatzmasse

Die Tabelle 1 enthält die geometrischen und physikalischen Eigenschaften der Zusatzmasse. Um eine hohe Masse bei kleinen Abmessungen zu erreichen, wurde Blei aufgrund seiner hohen Dichte als Material gewählt.

Tabelle 1: Parameter der Zusatzmasse aus Blei.

Länge
m
Breite
m
Höhe
m
Masse
kg
Jxx
kgm^2
Jyy
kgm^2
Jzz
kgm^2
Dichte
kg/m^3
0.529 0.51 0.08 244,8 5,44 5,84 11,01 11342

Masse im Fahrzeug:

Im Bild ist das Fahrzeug für die Simulation in CarMaker qualitativ dargestellt. Zur Nachbildung wurde der Audi TT mit Schaltgetriebe gewählt, da dies ein Standard-Demofahrzeug von CarMaker ist. Da für die Untersuchung nur vorgefertigte Beispielfahrzeuge aus CarMaker zur Verfügung stehen, wurde dieser spezielle Wagen ausgewählt, um ein Fahrzeug aus der DTM nachzubilden.

Abbildung 2: Ballast und Bewegungsraum, Bild aus:Blueprint Audi TT. https://blueprintbox.com/

Der Ballastraum ist auch im Bild qualitativ dargestellt und befindet sich zwischen dem Fußraum und dem Fahrzeugunterboden. Seine Abmessungen sind von den Abmessungen der Zusatzmasse abgeleitet. Die Länge des Ballastraums (lBr) berechnet sich aus lBr = l3 ∗ l und die Breite des Ballastraums (bBr) beträgt 3 ∗ b. Der Ballastraum ist in neun Abschnitte unterteilt, deren Positionen in der darauf folgenden Tabelle aufgeführt sind. Das Ausschwingen der Masser wird in diesem Fall nicht beachtet, weshalb ein Pufferraum dafür nicht vorgesehen ist.

Tabelle 2: Koordinaten der Zusatzmasse.

Bezeichnung x[m] y[m] z[m]
Referenz 2.052 0 0.547
vorne links (vl) 2.572 0.508 0.221
vorne mitte (vm) 2.572 0 0.221
vorne rechts (vr) 2.572 -0.508 0.221
mitte links (ml) 2.046 0.508 0.221
mitte (M) 2.046 0 0.221
mitte rechts (mr) 2.046 -0.508 0.221
hinten links (hl) 1.522 0.508 0.221
hinten mitte (hm) 1.522 0 0.221
hinten rechts (hr) 1.522 -0.508 0.221

Tabelle 3: Versuchsplan

Versuch Streckenabschnitt Manöver Variation Pos der Masse
V1 Geradeausfahrt Beschleunigung a: 50%
a:100 %
VR,VR,M,MR,HM,HR
V2 Geradeausfahrt Verzögerung a:-50%
a: -100%
VR,VR,M,MR,HM,HR
V3 stationäre Kreisfahrt 0konst. Geschwindigkeit 40 km/h, 30 km/h
r: 20m, r:42m
VL,VM,VR,ML,M,MR,HR,HM,HL
V4 Kreisfahrt dynamische Fahrt v: permanent Erhöhung VL,VM,VR,ML,M,MR,HR,HM,HL

Ergenisse

Die Ergebnisse der Versuchsfahrt zeigten, dass die Position der Zusatzmasse keinen signifikanten Einfluss auf das Beschleunigungsverhalten hatte, wie aus Abbildung 3 ersichtlich ist. Abbildung 4 zeigte, dass das Fahrzeug aufgrund des fehlenden Lenkwinkels an den Rädern geradeaus fahren sollte. Jedoch wurde nach dem Start eine Querbeschleunigung sowie eine daraus resultierende Gierrate beobachtet, wie aus Abbildung 5 und 6 ersichtlich ist. Dieses Verhalten trat auf, wenn die Zusatzmasse auf der rechten Seite des Fahrzeugs positioniert wurde, was zu einer Schwerpunktverschiebung und einem Giermoment in die entsprechende Seite führte. Da der Fahrer nach den Einstellungen des Manövers keinen Einfluss auf die Lenkung haben sollte, wurde das Fahrzeug nach dem Start nach rechts gezogen. Dies geschah jedoch nur bei Manövern, bei denen eine Querbeschleunigung in die entsprechende Richtung entstand. Bei Positionierung der Zusatzmasse auf der linken Seite verhielt sich das Fahrzeug analog, es wurde nach links gezogen aufgrund des auftretenden Giermoments. Bei den Standardeinstellungen kompensierte der Fahrer diesen Einfluss, und das Fahrzeug behielt seinen Kurs.

Abbildung 3: Verlauf der Geschwindigkeit

Abbildung 4: Lenkwinkel

Abbildung 5: Verlauf der Querbeschleunigung

Abbildung 6: Verlauf der Gierrate

Versuchsfahrten: nicht stationär

Die Ergebnisse der nicht stationären Versuchsfahrten sind von besonderer Bedeutung für die Entwicklung von Reglern. Gemäß der Fahrdynamik federt die Kurveninnere Seite aus, während die Kurvenäußere einfedert. Daher führt eine Positionierung der Zusatzmasse auf der Kurveninnenseite zu einem verbesserten Kurvenverhalten und mehr Stabilität während der Kurvenfahrt. Genau dieses Verhalten wird in Abbildung 7 und Abbildung 8 dargestellt. Das Fahrmanöver wurde so konfiguriert, dass die Simulation endet, sobald das Fahrzeug ausbricht und die Fahrbahn verlässt. Aus den Ergebnissen ist ersichtlich, dass das Fahrzeug eine höhere Querbeschleunigung erreicht, wenn die Zusatzmasse auf der linken Seite positioniert ist, was in diesem Fall der Kurveninnenseite entspricht. Auf der Kurvenaußenseite hingegen erreicht das Fahrzeug die geringste Querbeschleunigung, und die Simulation wird in diesem Fall auch nach kürzester Zeit abgebrochen. Ähnlich verhält es sich mit der Fahrzeuggeschwindigkeit. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die geringe Abweichung zwischen dem maximalen und minimalen Wert nicht vernachlässigt werden sollte.

Abbildung 7: Verlauf der Querbeschleunigung

Abbildung 8: Verlauf der Geschwindigkeit

Fazit der Voruntersuchung:

Für die Reglerentwicklung sollte folgendes berücksichtig werden:

  • Die Positionierung der Zusatzmasse in Längsrichtung nur einen sehr geringen Einfluss auf das Fahrverhalten hat.
  • Es wurde festgestellt, dass auftretende Giermomente durch den Fahrer kompensiert werden.
  • Im linearen Bereich des Fahrverhaltens verhält sich das Fahrzeug entsprechend der Theorie der technischen Mechanik.
  • Eine Regelung in Querrichtung im nicht linearen Bereich kann jedoch aufgrund der Erkenntnisse aus Voruntersuchungen sinnvoll sein.

Zu Teil - 2